Simulationen

von Christiane Krejs

Internet und Computerbilder verändern den Blick auf Mensch, Geschichte und Kunst. Die Transformation der Natur und des Menschen unter den Bedingungen der Technik zeigen sich besonders deutlich im radikalen Wandel der optischen Wahrnehmung und der Zeiterfahrung durch das technische Bild.  Erfordert es eine bestimmte Spanne Zeit, um Dinge in unserer Umwelt wahrzunehmen,  zu denken, so erweist sich die Zeit im Zusammenhang mit künstlichen Bildern als das am meisten veränderte Element unserer Erfahrungsdimension. Ein immerwährendes Erobern, Vergehen, Verlieren der Zeit scheint im digitalen Speicher aufgehoben. Dort werden vielgestaltige Bilder sichtbar, die nach den ungleichen Gesetzen von Natur und Technik entstehen, sich entwickeln und wieder verschwinden.

Gabi Mitterer wechselt zwischen der digitalen und analogen Bildwelt. Sie stoppt die rasende Geschwindigkeit und holt die einzelnen Bilder wieder zurück auf die statische Leinwand. Sie hält die Zeit fest, sie überschreitet die Grenzen von Raum und Fläche,  sie spielt mit den Farbskalen der Grafikprogramme, verwendet Computertools, sie berechnet die Simulation der Wirklichkeit, sie täuscht das Auge.  Die Kunstkritikerin Nina Schedlmayer verwendet für Mitterers neueste Arbeiten den Begriff des „Trompe-l òeil, Illusionsbilder, die im Barock eine Hochblüte erlebten. Mitterers Simulationen täuschen aber nicht den Gegenstand vor, sondern das Medium.

Bei ihren exakt berechneten Bildern werden vorgegebene Grundregeln sowie Maß- und Messeinheiten verwendet, wie sie dem binären Prinzip der Computerprogramme zugrunde liegen, ob das nun die Breite eines Klebebandes oder die Dimension eines Pinsels ist.  

Mitterers Arbeiten sind die Ergebnisse sorgfältiger Planung, die sich weniger intuitiv als analytisch erschließen. „Mich interessiert – sagt sie - wie sich Malerei verhält, wenn sie versucht zu interpolieren, es geht schließlich um eine rechnerische Leistung des Auges und es ist im Gegenzug das Auge des Betrachters, das sich nicht täuschen lässt.“

Blickt man in die Geschichte der Kunst zurück, so findet man bis in die Moderne das Streben danach, die Wirklichkeit zu simulieren, möglichst getreu die Realität darzustellen. Im Zeitalter des Computers kam man diesem Wunsch immer näher. Computersimulationen sind aus den Bereichen der Forschung, der Unterhaltungsindustrie und vor allem aus den militärischen Aktivitäten nicht mehr wegzudenken.

Linienknäuel ziehen in die Tiefe und aufgeklappte Würfelkanten bringen den Raum zurück in die Zweidimensionalität.

Farbverläufe und Schattierungen ihrer letzten Arbeiten schaffen flimmernde Traumbilder, die wie Blicke aus rasender Geschwindigkeit Landschaften erahnen lassen. Sie wagt Grenzgänge zwischen einer realen und einer irrealen Welt, bleibt aber in ihrer klaren Farbigkeit und in der Nachvollziehbarkeit der Konstruktionen immer verständlich.  

Christiane Krejs (Auszüge aus der Eröffnungsrede "Gabi Mitterer – Simulationen" in der Artothek Krems, im Februar  2006)